Interview mit H. Choy

Auszug aus dem Feng Shui Spezial 9/2001

Dieses Interview entstand 2001 durch Mariane Rattay für "Hagia Chora". Über Feng Shui, Daoismus, Geomantie, Aborigines und Black Streams.

Wie lange haben Sie sich mit Feng Shui beschäftigt?

Ich studiere Feng Shui seit 23 Jahren (seit 1978 a.d.Ü.).

Und haben Sie diese Wissen auch die ganze Zeit angewendet?

Ich biete dieses Wissen seit sechs bis acht Jahren in der Öffentlichkeit an. Vor dieser Zeit gab es in Australien keinen Bedarf. Niemand hatte wirklich etwas von Feng Shui gehört. Deswegen verwendete ich mein Wissen nur in meiner Arbeit als Architekt.
Es gab damals die so genannten „Geschäftseinwanderer“. Das bedeutet einfach, dass Leute nach Australien kommen können, wenn sie Geld haben. Ich arbeitete für chinesische Kunden, flog rüber um Häuser und ganze Siedlungen zu bauen, denn sie hatten Geld und wollten es sinnvoll anlegen.
Nachdem ich meinen Entwurf fertig hatte und ihnen die Pläne aushändigte, flogen Sie normalerweise nach Hong Kong, um das Feng Shui prüfen zu lassen. Oft wurden in letzter Minute Veränderungen eingebracht. Deshalb entschloss ich mich dazu, Feng Shui tiefer zu studieren und es in meine Arbeit einzubringen.
Ich schrieb sehr oft eine Feng Shui-Analyse für meine chinesischen Kunden. Ab dieser Zeit bekam ich Kunden und fing an, Feng Shui zu machen. Aber Feng Shui wurde in Australien erst in den letzten fünf bis sechs Jahren populär. Ab dieser Zeit wollten immer mehr australische Kunden Feng Shui haben, so dass ich momentan mehr australische als chinesische Kunden habe. Aber am Anfang war es genau umgekehrt.

 
v.r.n.l.: P. Fischer, H. Choy

Und Sie wurden in Australien geboren?

Nein, ich wurde in der Volksrepublik China geboren. Ich kam im Alter von 13 Jahren nach Australien, nachdem ich meine chinesische Grundschule abgeschlossen hatte. Damals war es verboten, China zu verlassen. Wir mussten uns den Weg aus China freikaufen.

Ist Feng Shui in China verboten?

Die momentane Politik in China ist, dass Feng Shui weder gefördert noch unterdrückt wird. Das bedeutet, dass man alleine dasteht. Was immer man tut, man macht es auf rein privater Grundlage. Wenn wir nach China reisen, um zu studieren, nennen wir es nicht Feng Shui, sondern I Ging und klassische chinesische Architektur.

Aber alle behaupten, dass die wichtigen Gebäude der Parteimitglieder und VIPs nach Feng Shui-Kriterien erbaut wurden?

Ja, es wird darüber geredet. Ich erinnere mich an einen Parteisekretär, der ein Auge auf uns werfen sollte, während wir eine Studiengruppe durch China führten. Eine sehr nette Frau. Als wir uns ein bisschen näher gekommen waren, erzählte sie uns alles über das Feng Shui Ihres Hauses, Ihres Dorfes und wie Ihre Großeltern Feng Shui einsetzten.
Es ist also offensichtlich, dass es das Leben der Menschen in China bis zum heutigen Tage sehr stark beeinflusst. Aber die Parteipolitik sieht vor, dass über dieses Thema nicht geredet wird.

Weil es Aberglaube ist?

Ja, aber meine Theorie ist, dass Feng Shui eine Menge mit Umweltschutz zu tun hat. Ich denke, wenn die Regierung zulassen würde, dass Feng Shui wieder populär wird, würden diese Umweltfragen wieder gestellt werden, und China müsste anfangen, sich mit Umweltschutz auseinander zu setzen. China als entwickeltes Dritte-Welt-Land kann sich das an diesem Punkt seiner sozialen Entwicklung nicht leisten. Deswegen wird Feng Shui klein gehalten.
Ein weiterer Punkt ist einfach der, dass man anfängt, eine andere Sichtweise auf die Dinge zu bekommen, wenn man sich mit Feng Shui beschäftigt. Das bedeutet eine Konkurrenz zu ihrer eigenen Ideologie und liegt sicherlich nicht im Interesse der Partei.

Glauben Sie, dass Feng Shui etwas mit den traditionellen daoistischen Religionen zu tun hat?

Oh ja! Wenn Sie die Prinzipien hinter Feng Shui studieren, werden Sie entdecken, dass sie sehr stark aus dem Daoismus und Konfuzianismus kommen. Und aus dem Buddhismus. Als der Buddhismus nach China kam, nahm er eine ganz andere Form an. Er wurde zum chinesischen Buddhismus, es ist nicht mehr der originale Buddhismus. Das beste Beispiel ist der Zen-Buddhismus. Hier wurde der Daoismus in den Buddhismus integriert.
Alle diese drei „-Ismen“ haben zum Feng Shui beigetragen. Aus dem Daoismus kommt die Yin/Yang-Theorie (obwohl auch der Konfuzianismus davon redet) und all die spirituellen Lösungen. Der Konfuzianismus redet von Hierarchien und Familienverhältnissen. Die Idee von Leere und Nicht-anhaften, der Energie einfach zu erlauben, so zu sein wie sie ist, das ist sehr buddhistisch. Ich denke, man kann nicht den Einfluss einer einzelnen Philosophie isolieren.

Ist Ihr Ansatz mehr daoistisch oder konfuzianistisch?

Ich denke, ich bin ein „Kombinationist“ (lacht).

Nach dem, was ich von Ihnen gehört habe, würde ich Sie mehr auf der Seite des Daoismus vermuten...

Nun ja, in der Art, wie ich das Wirken von Yin und Yang sehe und wie ich mit den Widersprüchen des Lebens umgehe, vielleicht. Aber ich denke, das ist gleichzeitig auch marxistisch/leninistisch, denn dabei geht es um Dialektik, was nur ein anderer Begriff für Yin und Yang ist.

Aber der Marxismus/Leninismus hat christliche Wurzeln...

Ich glaube sehr stark daran, dass alle Religionen am Ende von der gleichen Spiritualität handeln. Die Einteilung in verschiedene Schubladen entspricht einem sehr oberflächlichen Verständnis von Spiritualität und Metaphysik.

Kommen wirklich alle Regeln und Theorien des Feng Shui aus China? Die Vastu-Leute behaupten ja, dass sie die ersten waren, die Feng Shui gemacht haben. Und ich habe gehört, dass die Fliegenden Sterne ursprünglich aus Japan kommen.

Na ja, wenn man genauer hinschaut, wird man feststellen, dass jede Kultur irgendwie eklektisch ist. Die Chinesen lieben es, daran zu glauben, dass ihre Kultur rein chinesisch ist. Aber in Wirklichkeit ist sie das natürlich nicht. China hat eine lange Geschichte. China hat auch Einflüsse anderer Kulturen erfahren, insbesondere aus der indischen und persischen Kultur. Das chinesische Gedankengut ist also stark beeinflusst.
Auf der anderen Seite verhält es sich doch aber so, dass alle Menschen auf der ganzen Welt mehr oder weniger mit der gleichen Sache beschäftigt sind. Wenn man ihnen genug Zeit lässt, werden sie mehr oder weniger zum gleichen Schluss über die Realitäten des Lebens kommen. Sie verwenden vielleicht eine andere Terminologie, sie verwenden vielleicht andere Paradigmen. Aber am Ende versuchen sie, die gleiche Realität zu beschreiben und sie versuchen, mit der Realität in der einzigen Art und Weise umzugehen, die für menschliche Wesen zuträglich ist.

Nur um zu einem Schluss zu kommen: Feng Shui kommt in die westliche Hemisphäre durch die USA, England, Europa und Australien, und ich denke, dass es sich verändern wird. Glauben Sie, dass es ein westliches Feng Shui geben wird?

Das würde mich nicht überraschen! Aber das „westliche Feng Shui“ wäre immer noch ein Aspekt des chinesischen Feng Shui, denn es gibt nur eine bestimmte Anzahl von Wegen, die zum Ziel führen. Es gibt so viele Aspekte im menschlichen Geist.
Wenn Sie „westliches Feng Shui“ sagen, bedeutet das wahrscheinlich, dass Sie ein bestimmtes Gebiet betonen werden, auf das die Chinesen nicht so viel Wert legten. Aber während sich die Zeit immer weiterbewegt, ist es nur natürlich, sich mit dem Strom der Zeit zu bewegen. Und einige Probleme sind in der heutigen Gesellschaft einfach drückender als andere. Deswegen wird ein bestimmter Aspekt des Feng Shui nach vorne treten und ein anderer mehr in den Hintergrund treten. Aber sobald man einen Schritt zurück geht, und das ganze Bild betrachtet, ist doch wieder alles da.
Das westliche Feng Shui, über das Sie reden, ist etwas verspielter und legt etwas mehr Gewicht auf den intuitiven Ansatz. Aber die Chinesen hatten schon immer diesen intuitiven Ansatz. Und was sie in der Vergangenheit getan haben, war, die Intuition gegen etwas Objektives abzugleichen. Nummern und Figuren und so etwas. Was sie versuchen, ist ein Bezug herzustellen zwischen Ratio, Intuition und dem, was tatsächlich in unserer Umgebung abläuft.
Nun legen wir im Westen etwas mehr Wert auf die Intuition. Wenn wir im Westen zum Beispiel Malerei studieren, wird uns der Lehrer ein Pinsel geben und uns anweisen, es einfach auszuprobieren, tu einfach was willst, folge deiner Intuition. Wenn eine Person das lange genug macht, wird er anfangen, über Technik nachzudenken. Über Striche, Farbtheorien, und er wird mehr in das objektive Studium der Materie eindringen. Aber am Ende wird er versuchen, seine Fertigkeiten mit seiner Intuition zu balancieren. Weil Intuition ohne Disziplin nicht ausreicht. Man kriegt so keine guten Gemälde.
Aber die Chinesen gingen das von einer ganz anderen Seite an. Wenn Sie bei einem chinesischen Maler lernen, bittet er Sie, die Meister zu kopieren. Sehr diszipliniert. Aber nachdem man drei Jahre lang kopiert hat, geht es auch wieder darum, sich zu befreien. Auch hier haben wir also Intuition und Fertigkeiten. Objektivität und Subjektivität.
Es geht also darum, den gleichen Gipfel zu besteigen. Der eine Weg führt vom Osten her, der andere vom Westen. Die Idee zwischen westlichen, östlichen, chinesischen und indischen Feng Shui zu unterscheiden, kommt mir daher etwas mühselig vor.

Gibt es eine globale Geomantie?

Geomantie ist für mich ein weiterer Bestandteil des Feng Shui. Aber es gibt verschiedene Arten von Geomantie. Viele Geomanten arbeiten auf der intuitiven, subjektiven Ebene. Andere versuchen, mehr objektiv durch Beobachtung zu arbeiten. So wie der Rutengänger, der etwas sucht, das in der Erde verborgen liegt.

Aber Geomantie ist viel mehr als nur Rutengehen:

Aber man arbeitet sehr stark auf der intuitiven Ebene, oder?

Die korrekte Übersetzung ist: Die Erde lesen. Am Anfang war es ein divinatorisches System. Man warf Knochen oder Steine, um aus ihnen zu lesen. Das wurde Geomantie genannt.

Aber dann ist es vergleichbar mit den chinesischen divinatorischen Techniken, die Schildkrötenpanzer und Knochen mit heißen Nadeln zum Springen brachten. Das ist Teil des Feng Shui.
Aber von da aus entwickelten sich andere Systeme zur Beurteilung der Erde. Statt eine Handvoll Sand zu werfen oder tatsächlich Schildkrötenpanzer mit glühenden Nadeln zu bearbeiten, entwickelten sie die Wissenschaft der Natur.
Das war der Anfang dessen, was wir Naturwissenschaft nennen. Von diesem Standpunkt aus könnte man sogar sagen, dass die Geomantie tatsächlich die Mutter der Naturwissenschaft ist. Dieses Schubladendenken behindert also nur unser Verständnis und begrenzt unser Wissen. Ich bin für einen mehr umfassenden Ansatz.

Das ist ein sehr guter Ansatz, denke ich.

Ich glaube, das hat viel mit meinem Hintergrund zu tun. Ich bin mit beiden Kulturen verbunden. Deshalb kann ich beide Blickpunkte einnehmen. Ich habe kein Problem damit, von rechts nach links zu pendeln, von Yin zu Yang. Wenn Sie meine Augen betrachten, die für den Geist stehen, werden Sie sehen, dass ein Auge größer ist als das andere. Das nennen die Chinesen „Yin/Yang Augen“.

Nachdem Sie in Australien leben, sind Sie mit der Kultur der Aborigines vertraut?

Das ist eine sehr traurige Geschichte. Die meisten Australier haben kein Verständnis dieser Kultur.

Ich frage deswegen, weil es auch bei den Aborigines eine sehr spezielle Form der Geomantie geben soll. Es hat etwas mit den Texten ihrer Lieder zu tun.

Mein Verständnis dieses Themas kann nur sehr oberflächlich sein, aber soweit ich es verstanden habe, ist der Text ihrer Lieder eine Methode, um sich an den Weg ihrer Reise zu erinnern. Es geht darum, unterwegs die Wasserlöcher zu finden. Das ist ein Aspekt der Liedtexte. Wenn man sich in der Wüste bewegt, muss man wissen, wo sich die Wasservorkommen befinden. Deshalb geht es in vielen Aborigines-Gemälden und -Liedertexten darum, eine Art Landkarte zu erschaffen, damit man Wasser finden kann, um das Überleben zu sichern.
All diese spirituellen Praktiken, von denen die Menschen reden, haben für mich eine ökonomische oder finanzielle Basis. Spiritualität ist gut, um zu Überleben, und Spiritualität ist gut fürs Geschäft. Man kann spirituelle Praxis und Wirtschaft nicht trennen. Das ist eine sehr schlechte Idee, aber wohin wir auch schauen, passiert es. Die Menschen trennen heute Spiritualität und Geld. Sie denken, dass es zwei verschiedene Bereiche sind. Sie denken, dass man nicht gleichzeitig spirituell sein und über Geld reden kann.

Ich denke, das kommt aus der Einstellung der christlichen Religion. Uns wird erzählt, wir sollten nur zu Gott beten.

Und zwar zu einem und nur dem einem Gott, auf eine und nur die eine Art. Das ist der Unterschied zu den Chinesen. Das ist der Grund, warum die Chinesen keinen Archetypen haben, der auch nur in die Nähe des christlichen Gottes kommt. Hier ist der Gott „Chien“ der Himmel, was keine echte Entität an sich ist.

Möchten Sie etwas zum Thema „Black Streams“ sagen?

Ich möchte es wirklich nicht diskutieren. Es wäre nicht sehr respektvoll gegenüber der Sichtweise anderer Menschen und gegenüber dem, was sie getan haben. Ich habe zu diesem Thema meine eigenen Ansichten. Ich denke, dass es sehr negativ ist, die Handlungen anderer Menschen zu kommentieren. Ich beobachte viel lieber meine eigenen Handlungen.

Nun wird aber behauptet, dass es klassische chinesische Quellen gibt, die von „Schwarzen Wolken“ reden. Es wurden alte daoistische Schriften erwähnt.

Wie entstanden denn aus den „Schwarzen Wolken“ auf einmal „Schwarze Ströme“? Wolken sind am Himmel, Ströme aber auf der Erde. Woher kommt diese Analogie?

Ich würde sagen, da wurde einiges durcheinander geworfen. „Schwarze Ströme“ sind ein Ausdruck der englischen Rutengeher-Szene des 15. Jahrhunderts. Alte keltische Texte erwähnen dabei Friedhöfe in der Nähe von Häusern mit schädlichen Einflüssen.

Ich würde mich sehr darüber freuen, wenn diejenigen, die „Schwarze Ströme“ als Teil der traditionellen chinesischen Kultur präsentieren, mir die betreffenden Passagen auf chinesisch vorlegen würden, um ihre Vermutung zu stützen. Ich würde das wirklich gerne sehen. Das ist eines meiner Hauptaugenmerke, während ich Feng Shui studiere.
Es gibt sehr viele verschiedene Sichtweisen im Feng Shui und sehr viel ergänzende Gedankengänge. Der Akademiker in mir möchte das einfach untersuchen. Um zu sehen, was in den Klassikern steht. Das ist einer der Gründe, warum ich bei Prof. Wang Jude studiere: Er ist ein Historiker! Er ist der Kopf der historischen Abteilung der Universität von China. Er liest klassisches Chinesisch und studiert die chinesischen Klassiker.
Das ist der Grund, warum ich bei ihm studiere und diese Bücher lese: Ich möchte wissen, woher all diese Informationen stammen, wie diese Konzepte entstanden. In welcher Zeit, welcher politischen Situation, mit welchem philosophischen Hintergrund, welcher Art des Denkens sie entsprungen sind. Wie alt sind diese Texte, sind sie Tang Dynastie, Sung Dynastie, Qing Dynastie oder sogar noch älter? Kommen sie von den Mongolen oder woher auch immer?
Nur dann kann man tatsächlich eine historische Perspektive entwickeln, wie diese Konzepte entstanden sind. Und nur dann kann man die Essenz und die Prinzipien die hinter diesen Konzepten stehen herausfiltern und sagen: OK, das hier ist der Kern. Was können wir in unseren modernen Zeiten jetzt damit anfangen?

Zum Thema Friedhöfe. In jedem Buch steht heute, dass es schlecht ist, in der Nähe von Friedhöfen zu wohnen.

MR: Jetzt sah ich in einer archäologischen Dokumentation, dass die Menschen früher ihre nächsten Angehörigen und manchmal sogar ihre Haustiere unter dem Fußboden in der Mitte Ihres Hauses begruben und niemand davon geschädigt wurde. Ich kriege diese beiden Informationen nicht ganz zusammen.

HC: Wissen Sie, warum das passiert ist? In der traditionellen Gesellschaft haben wir uns sehr stark mit dem Geist unserer Toten identifiziert. Während wir modern, industriell und keimfrei wurden, haben wir den Todes- und Trauerprozess gleich mitentsorgt.
Wenn früher Menschen starben, betrauerte man die Toten. Die Menschen, die da starben, standen uns sehr nahe. Wir begruben die Toten unter unserem Fußboden, weil wir ihnen sehr nahe sein wollten. Heute desinfizieren (betont dieses Wort) wir sie. Wenn jemand stirbt, verlieren wir vollkommen unsere Fassung. Der Körper wird gewaschen, wir schauen ihn noch einmal an und verbrennen ihn dann.
Hier ist, was passiert ist: Wir haben aufgehört, den Geist („spirit“) der Toten kennen zu lernen. Deswegen ist der Geist der Toten eine Quelle der Störung für uns. Eine Quelle der Sorgen und Ängste. Der heutige Grund, nicht mehr in der Nähe von Friedhöfen leben zu wollen, ist einfach, dass ein Friedhof in uns eine Menge emotionaler Bewegung verursacht, und wir uns dieser Situation nicht aussetzen wollen.

Wenn wir bewusst mit dem Tod umgehen, dann können wir in der Nähe des Friedhofs wohnen?

Natürlich! Das ist alles Teil der Angst vor dem Tod! Nicht zu akzeptieren, dass der Tod ein fester Bestandteil unseres Lebens ist. Sobald wir geboren werden, müssen wir auch sterben. Und daran ist nichts verkehrt. Es ist nichts verkehrt daran, einen toten Körper zu reinigen. Es ist nichts verkehrt daran, einen Toten noch einmal in den Arm zu nehmen und ihn zu küssen, bevor wir ihn weiterschicken. Es gibt nichts, dessen man sich schämen müsste.
Wenn man sich wegen etwas schämt, hat man Angst vor etwas. Und wo Angst ist, ist auch Schuld. Und das ist es, was uns stört. Deswegen möchten wir dieses Gefühl vermeiden. Und deswegen möchten wir nicht in der Nähe eines Friedhofs leben.

Ein Friedhof muss also nicht um jeden Preis vermieden werden. Was ist mit Kirchen?

Mit den Kirchen ist es genau das Gleiche! Wenn Sie ein Christ sind und in der Nähe einer christlichen Kirche leben, ist das kein Problem. Aber wenn Sie Buddhist sind, oder einer anderen Religion folgen, ist es vielleicht keine so gute Idee, neben einer Kirche zu wohnen.
In einer Kirche werden eine Menge Rituale abgehalten. Dort finden Hochzeiten und Begräbnisse statt, die Glocken läuten. Wenn Sie sich damit nicht identifizieren, kann es zu einer Störquelle werden. Aber wenn Sie Katholik sind und neben einer katholischen Kirche leben, ist das doch kein Problem! Sie gehen doch sowieso jeden Tag hin! Worüber sollten Sie sich also sorgen?

Das ist sehr interessant. Es ist vollkommen anders als alles, was ich in den Büchern über Feng Shui lese.

All diese Feng Shui-Bücher die Sie lesen, sind, obwohl auf chinesisch geschrieben, nicht älter als 150 Jahre. Sie müssen 2000 oder 2500 Jahre zurück gehen, um zu sehen, was damals gesagt wurde. Eine Menge Feng Shui-Bücher wurden in der Qing- und Ming-Dynastie geschrieben und sind damit nur 200 bis 300 Jahre alt. Sie stammen aus der Zeit kurz vor der industriellen Revolution. Das ist nicht sehr lange her. Und trotzdem reden wir von einem „Klassiker“.
Es gibt Klassiker und Klassiker. Wie Sie aus der Geschichte wissen, war Feng Shui in der Ming Dynastie schon vollkommen korrumpiert. Und es gibt eine Menge Bücher aus dieser Zeit. Das ist der Grund dafür, dass wir uns die Geschichte des Feng Shui sehr genau ansehen müssen, wenn wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Aber haben sie jemals ein Buch gesehen, dass über die Geschichte des Feng Shui tatsächlich in Daten redet?
Es gibt so viele chinesische Autoren und alles, worüber sie schreiben, ist „die Wasser-Methode“ oder „die Geld-Methode“. Niemand schreibt ernsthaft über Feng Shui. Michael Patton hat fünf Klassiker übersetzt. Nicht ein einziger Verleger ist an diesem Material interessiert. Weil es sich nicht verkauft! Heute will jeder wissen, wohin er seine Kasse stellen soll, damit er mehr Geld verdient. Und jeder will wissen, wo seine „Pflaumenblütenecke“ ist, damit er/sie einen guten Partner findet.

Wissen Sie, ich habe die Pflaumenblütenecke auch ausprobiert, aber es hat nicht funktioniert. (lacht)

Aber es verkauft Bücher! Das zeigt Ihnen, welche Ebene des Interesses die breite Öffentlichkeit wirklich hat. Von 10.000 Menschen, die sich mit Feng Shui beschäftigen, sind vielleicht zwei oder drei wirklich ernsthaft interessiert. Und das ist besser als gar keiner. Deswegen begrüße ich Euch alle! Ihr könnt so viele Pflaumenblüten-Bücher schreiben, wie ihr wollt.

Aber unser Magazin ist an diesem wirklich tiefen Zugang interessiert. Deswegen freuen wir uns so, Sie zu treffen.

In meinem ersten Editorial schrieb ich: „Wissen wir wirklich, mit welchen Energien wir herumhantieren, wenn wir unser Möbel durch die Gegend schieben? Was ist unterhalb der Oberfläche?“ Genau das versuchen wir zu finden: die Quelle.

HC: Und je mehr Menschen sich für Feng Shui interessieren, desto mehr echtes Studium des Feng Shui wird es geben. In Australien arbeitet mein Freund Marco gerade an seinem Ph.D. Er verwendet einen Windkanal, um das ideale Feng Shui-Modell zu untersuchen.
Das ideale Feng Shui-Modell hat bekanntlich das Haus auf halber Höhe des Berges, eine Aussicht auf Wasser und einen schönen Sonneneinstrahlwinkel. Und einer der Gründe, das zu tun, ist weil das Windmuster so am besten ist. Wenn ein Haus auf einem Hügel oder am Fuß eines Hügel steht, ergibt sich ein anderes Windmuster.
Er baut also Modelle, stellt sie in den Windkanal, stellt das Haus auf den Gipfel, in die Mitte und an den Fuß des Hügels und beobachtet wie der Wind sich verhält.

Herr Choy, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.